Morbus Basedow
Diese Erkrankung der Schilddrüse wurde zum ersten Mal 1840 vom Merseburger Arzt Carl Adolph von Basedow beschrieben. Deshalb trägt die Erkrankung diesen Namen. Das Wort „Morbus“ kommt aus dem Lateinischen und heißt übersetzt „Krankheit“.
Bis heute fasst man die drei klassischen Symptome unter dem Begriff „Merseburger Trias“ zusammen. Diese sind: vergrößerte Schilddrüse, schneller Pulsschlag (Tachykardie) und hervortretende Augen.
Ursache
Morbus Basedow ist eine Autoimmunerkrankung, die oft in Schüben verläuft. Wie bei anderen Autoimmunerkrankungen spielen erbliche Faktoren eine wichtige Rolle. Auslöser für den Ausbruch der Erkrankung können unter anderem negativer Stress, eine schwere Virusinfektion und seelische Belastung sein. Raucher sind doppelt so häufig betroffen und leiden 8-10-mal häufiger unter Augenbe- schwerden als Nichtraucher. Die Erkrankung bricht häufiger nach hormonellen Umbruchphasen auf: Pubertät, Entbindung und Wechseljahre. Deshalb erkranken auch häufiger Frauen als Männer.
Auch für den Morbus Basedow findet man Assoziationen mit HLA-DR3 und DR4.
Diagnose
Die häufigsten Symptome, unter der die Patienten durch die gesteigerte Schild-drüsenhormon-Produktion leiden, sind:
- Nervosität, Schwitzen, Zittern
- schneller Puls bis hin zu Herzrhythmusstörungen
- Müdigkeit, Schwäche, aber auch Schlafstörungen
- Gewichtsabnahme, Heißhungerattacken
- Durchfall
- Zyklusunregelmäßigkeiten
- vergrößerte Schilddrüse mit eventuell Schluckbeschwerden
- Augensymptome wie Druckgefühl um Auge, Sehstörungen, trockenes Auge, Bindehautentzündungen, Doppelbildersehen
Wie wird Morbus Basedow festgestellt?
Nach der Erhebung der Anamnese, einer körperlichen Untersuchung und einer Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse erfolgt eine Blutentnahme. In etwa 95 % der Fälle lassen sich TRAK-Antikörper (TSH-Rezeptor-Antikörper) nachwei- sen. Diese Antikörper richten sich gegen Rezeptoren auf der Oberfläche von Schilddrüsenzellen. Bei ca. 80 % der Patienten lassen sich zusätzlich auch die TPO-Antikörper nachweisen. Dann misst der Arzt noch die freien Hormone FT3 und FT4. Diese sind in der Regel erhöht. Der TSH-Wert ist aufgrund des Rückkopplungsmechanismus erniedrigt.
Vor allem wenn die Schilddrüse vergrößert ist und Knoten vorliegen, wird auch eine Szintigraphie durchgeführt. Bei dieser Untersuchung wird dem Patienten eine sehr geringe Menge einer radioaktiv markierten Substanz gespritzt. Durch die Strahlung dieser Substanz erhält der Untersucher sehr exakte Bilder von der Größe und Funktion der Schilddrüse. Manchmal ist auch eine Farbdoppler-Ultra- schall-Untersuchung ausreichend.
Jeder Patient sollte zum Augenarzt geschickt werden, um eine endokrine Orbitopathie, eine entzündliche Erkrankung der Augenhöhle, auszuschließen, weil nicht alle Patienten unter Augensymptomen leiden. Der Augenarzt prüft das Sehvermögen und die Beweglichkeit der Augenmuskeln. Dann werden das Gesichtsfeld und der Augeninnendruck überprüft. Nach der Augenhintergrundspiegelung dürfen Sie kein Auto fahren. Bei sichtbaren Veränderungen wird gemessen, wie stark die Augen hervorgetreten sind.
Behandlung
Es kommen drei Behandlungsmöglichkeiten infrage:
1. medikamentöse Behandlung mit Thyreostatika
2. Radiojodtherapie und
3. Schilddrüsenoperation
Medikamentöse Behandlung
Die Schilddrüsen-Überfunktion wird mit Thyreostatika, einer speziellen Medika- mentengruppe, gebremst. Diese werden Sie ca.12 Monate lang einnehmen, um den Schilddrüsenstoffwechsel zu normalisieren. Nach dieser Behandlung bildet sich bei einem Teil der Patienten die Krankheit spontan zurück und heilt aus. Eine Behandlungsdauer unter 6 Monaten und über 2 Jahre ist dabei nicht zu empfehlen.
Falls Sie unter einer Tachykardie leiden, behandeln die Ärzte mit sogenannten Beta-Blockern, die den Herzschlag verlangsamen. Dann werden auch Symptome wie Zittern, Nervosität und Unruhegefühl besser. Zu Beginn der Behandlung sind engmaschige Blutkontrollen von TSH, FT3, FT4, ein kleines Blutbild und Leberwerte notwendig, um eine zu hohe Dosierung rechtzeitig zu erkennen. Selten kann es bei dieser Therapie zu allergischen Reaktionen der Thyreostatika oder zu einer Verringerung der Anzahl der weißen Blutkörperchen kommen (Abnahme der Granulozyten). Dann spricht man von einer Leukopenie bzw. Granulozytopenie. Falls Sie Fieber, offene Stellen an der Mundschleimhaut und eine Halsentzündung bekommen, sollten Sie deshalb Ihren Arzt aufsuchen.
Nach einer Behandlungsdauer von ca. 12 Monaten wird ein Auslassversuch durchgeführt. Da etwa die Hälfte der Patienten dabei einen Rückfall erleiden, müssen Sie sich entscheiden, ob Sie sich operieren lassen oder sich einer Radiojodtherapie unterziehen möchten. Ihr Arzt wird Sie bei Ihrer Entscheidung beratend unterstützen. Beide Methoden sind sehr effektiv.
Falls Sie unter schweren Augensymptomen leiden (endokrine Orbitopathie), kann eine Behandlung mit Cortison notwendig werden. In leichten bis mittelschweren Fällen kann man auch mit Selen behandeln. Zur Behandlung des trockenen Auges stehen Salben, Gele und Augentropfen zur Verfügung. Wichtig dabei ist immer eine gute Stoffwechseleinstellung der Schilddrüse. Sie sollten, falls Sie Raucher sind, unbedingt mit dem Rauchen aufhören.
Schwangerschaft
Falls Sie im Laufe dieser Behandlung schwanger werden, sollten Sie dies um- gehend Ihrem behandelnden Arzt mitteilen. Dieser wird dann auf ein spezielles Medikament wechseln, das in der Schwangerschaft zugelassen ist. Oft verbessert sich der Schilddrüsenstoffwechsel während der Schwangerschaft.
Eine Schwangerschaft sollten Sie erst planen, wenn sich Ihr Schilddrüsenstoffwechsel stabilisiert hat und die Antikörper sich wieder normalisiert haben.
Schilddrüsen-Operation
Bei dieser Methode reguliert sich die Überfunktion durch die komplette Entfernung der Schilddrüse. In Ausnahmefällen wird auch nur ein Teil der Schilddrüse entfernt. Die Erfolgsquote bei einem erfahrenen Schilddrüsen-Chirurg liegt bei ca. 95%. Sie können auch früher operiert werden, falls folgende Gründe vorliegen:
- Falls Sie die Medikamente nicht vertragen oder Sie allergisch reagiert haben.
- Falls die Medikamente „nicht gewirkt“ haben.
- Falls bei Ihnen der Verdacht auf bösartige Veränderungen in der Schilddrüse geäußert wurde.
- Falls bei Ihnen mehrere Knoten in der Schilddrüse festgestellt wurden.
- Falls bei Ihnen Kinderwunsch besteht.
Nach einer Operation müssen Sie lebenslang Schilddrüsenhormon einnehmen.
Radiojodtherapie
Diese Methode wird nur in Spezialkliniken durchgeführt und dauert zwischen 3 und 6 Tagen. Dabei wird Ihnen eine kleine Menge radioaktives Jod über eine Kapsel verabreicht. Diese Substanz wird durch die Schilddrüse aufgenommen und schnell wieder ausgeschieden. Die Behebung der Überfunktion der Schilddrüse erfolgt mittels der Bestrahlung der Schilddrüsenzellen durch das radioaktive Jod. Es kommt zum Schrumpfen der Schilddrüse. Die Radiojodtherapie darf in Deutschland nicht während der Schwangerschaft und bei Kindern durchgeführt werden. Eine Verhütung sollte bei Kinderwunsch für mindestens sechs Monate nach der Therapie erfolgen.
Auch nach einer Radiojodtherapie müssen Sie lebenslang Schilddrüsenhormon einnehmen.
Wichtiges, das Sie bei Morbus Basedow beachten sollten
Unsere Schilddrüse benötigt die Spurenelemente Jod und Selen zur Produktion von Schilddrüsenhormonen. Auch Calcium, Eisen, Vitamin A und Vitamin D sind an der Schilddrüsenhormon-Regulation beteiligt. Bei einem Morbus Basedow sollten Sie allerdings auf eine übermäßige Jodzufuhr verzichten, weil dadurch die Hormonproduktion zu sehr angeregt wird. Sie sollten daher auf jodhaltige Nahrungsergänzungsmittel, Medikamente, Röntgenkontrastmittel und Wund- desinfektionsmittel verzichten. Jodhaltige Nahrungsmittel wie z.B. Seefisch, Meeresfrüchte und jodhaltige Algen sollten deutlich reduziert werden. Erlaubt sind dagegen jodiertes Speisesalz, Milchprodukte und andere Lebensmittel, die Jod enthalten.
Im Rahmen der Vorbereitung vor bestimmten Untersuchungen wie z. B. Radio- jodtherapie, Ganzkörper-Szintigraphie und intravenöse Kontrastmittelgabe ist ein kompletter Verzicht dieser Lebensmittel nötig. Vor diesen Untersuchungen muss die Schilddrüse auch mit Medikamenten „blockiert“ werden.
Im Alltag sollten Sie auf salzreiche Wannenbäder und Aufenthalten in Bergstollen verzichten.
Kontrolluntersuchungen
Die Kontrolluntersuchungen, während der 1-2-jährigen Behandlung mit Thyreostatika, wurde bereits in Kapitel 5.4. erwähnt.
Sonst entsprechen die Kontrolluntersuchungen den Verlaufskontrollen einer Behandlung mit Schilddrüsen-Hormon (siehe Kapitel 4.5.).