Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen und der Weg zur Transition – erklärt für Jugendliche

Als Transition bezeichnet man den Übergang von der Kinderklinik in die Erwachsenenmedizin. Dass dieser Prozess möglichst erfolgreich und reibungslos verläuft, ist bei allen chronischen Erkrankungen sehr wichtig, um die Gesundheit möglichst lange zu erhalten. Zu den chronischen Erkrankungen gehören auch die Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen.

Was bedeutet Transition und was sind die Hintergründe von Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen?

Zunächst befassen wir uns mit den medizinischen Hintergründen der Hypophysen und Nebennierenerkrankungen. Dies ist kein ganz einfaches Thema. Einige Fachbegriffe sind leider nicht zu vermeiden. Aber wir bemühen uns, sie zu erklären und so verständlich wie möglich zu bleiben.

Was sind eigentlich Hormone?

Es handelt sich um sogenannte Botenstoffe im Blut. Sie sorgen dafür, wichtige Funktionen im menschlichen Körper aufrechtzuerhalten.

Die Ursachen für einen Hypophysenhormon-Mangel (=Mangel an Botenstoffen der Hirnanhangsdrüse) können sehr unterschiedlich sein. Mögliche Ursachen sind:

  • Störung im Zwischenhirn (Hypothalamus), z.B. bei Kraniopharyngeom (=langsam wachsender gutartiger Tumor im Bereich von Hypothalamus, einem wichtigen Bereich im Zwischenhirn, und Hypophyse)
  • genetisch bedingte Anlagestörungen der Hirnanhangsdrüse/septo-optische Dysplasie (=Fehlbildung der Hirnanhangsdrüse kombiniert mit einer Anlagestörung des Sehnervs)
  • traumatisch bedingte Schädigung der Hirnanhangsdrüse nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma (darunter versteht man Schädelverletzungen, die auch das Hirn betreffen)
  • Schädigung von Hypothalamus und/oder Hirnanhangsdrüse durch eine eitrige Hirnhautentzündung oder durch eine Strahlentherapie im Kopfbereich bei Gehirntumor
  • Autoimmunentzündung, also eine durch das eigene Immunsystem hervorgerufene Entzündung der Hirnanhangsdrüse (Hypophysitis)
  • idiopathischer isolierter Wachstumshormonmangel (= ein ohne erkennbare Ursache aufgetretener Mangel an Wachstumshormon)

Bei den Nebennierenerkrankungen kommen am häufigsten Enzymdefekte der Nebenniere vor, die zu einer gestörten Bildung des Stresshormons Kortisol führen (Adrenogenitales Syndrom – AGS) und ab dem Schulalter auch eine Autoimmunentzündung der Nebenniere, die man auch als Morbus Addison bezeichnet.

Zuerst schauen wir uns einmal an, wie normalerweise die Signalkaskade, also ein über mehrere Stationen laufendes biologisches Signal vom Gehirn zu den verschiedenen Organen funktioniert: Prinzipiell werden auf der Ebene des Hypothalamus im Zwischenhirn Freisetzungshormone ausgeschüttet, die dann die Hypophyse selber dazu anregen, weitere Botenstoffe auszuschütten. Sie regen wiederum die Zielorgane an, den „Endprodukt-Botenstoff“ freizugeben, der dann eine biologische Wirkung im Körper entfaltet.

  1. CRH – ACTH – Nebennieren-/Cortisol-Achse
  2. TRH – TSH – Schilddrüsen-/Schilddrüsenhormon-Achse
  3. GnRH – LH/FSH (= Gonadotropine) – Keimdrüsen-/Sexualhormon-Achse 4. GHRH – GH – IGF-1-Achse (Wachstumshormon-Achse)

Die Prolaktin-Freisetzung aus der Hirnanhangsdrüse ist sehr vielschichtig reguliert. Hier spielen mehrere Botenstoffe eine Rolle: Hemmung der Freisetzung durch Dopamin, Somatostatin und GABA. Anregung der Freisetzung durch TRH, Stress, Prolaktin-Releasinghormon (=Freisetzungshormon) und Östrogene.

Die fünf Hormone (Botenstoffe) ACTH, TSH, LH/FSH, GH und Prolaktin werden aus dem Vorderlappen der Hirnanhangsdrüse freigesetzt.

Aus dem Hinterlappen der Hirnanhangsdrüse stammen das Flüssigkeitshaushalt-regulierende Hormon (ADH =antidiuretisches Hormon) und das für die Wehentätigkeit bei der Geburt notwendige Hormon Oxytocin.

Wenn zwei oder mehr Hormone der Hirnanhangsdrüse ausgefallen sind, spricht man medizinisch von einem „Panhypopitutarismus“ oder vom „Mangel an multiplen (mehrfachen) Hypophysen-Hormonen“ („multiple pituitary hormone deficiency“ – MPHD).

1. CRH – ACTH – Nebennieren-/ Cortisol-Achse

CRH ist die Abkürzung für das Corticotropin Releasing Hormon (Corticotropin-Freisetzungshormon), das vom Hypothalamus freigesetzt wird und dann die Hirnanhangsdrüse anregt, ACTH – das adreno-corticotrope Hormon – auszuschütten. Das ACTH regt dann wiederum Zellen in der Nebennierenrinde an, das Stresshormon Kortisol zu bilden und freizusetzen. Das Stresshormon, wird – wie der Name schon sagt – bei körperlichem Stress, bei Krankheit, Fieber oder Operationen in großer Menge freigesetzt. Es stabilisiert den Blutdruck, verhindert überschießende Entzündungsreaktionen im Körper und hilft, den Blutzucker zu stabilisieren.

Ohne Kortisol fühlt man sich schwach und antriebslos und in Phasen von körperlichem Stress kann ein Kortisolmangel richtig gefährlich werden, wenn es zur gefürchteten lebensbedrohlichen Nebennieren-Krise (Addison-Krise) kommt.

Weil bei einem Kortisolmangel der blutzuckerstabilisierende Effekt fehlt, kann es auch zu Unterzuckerungen kommen. Es treten dann Stress-Symptome wie Zittern, Schwitzen und Herzrasen auf.

Das Risiko für die Nebennieren-Krise ist besonders bei Infektionskrankheiten erhöht (z.B. Infekt der oberen Luftwege/Erkältung, Magen-Darm-Grippe/ Brechdurchfall, Harnwegsinfektion, Lungenentzündung etc.). In diesen Fällen ist eine Hydrocortison-Stressdosis erforderlich:

Ersetzt wird das fehlende Hormon durch das Medikament Hydrocortison (in selteneren Fällen auch durch Prednison oder Dexamethason). Beim Hydrocortison gibt es neben dem „normalen“ Hydrocortison auch Präparate mit einer verzögerten Wirkungsfreisetzung (Plenadren® oder Efmody®).

Als Mensch mit einem Cortisolmangel ist man potenziell lebenslänglich gefährdet eine Nebennieren-Krise zu erleiden, wenn bei körperlichem Stress die Dosis des Medikaments nicht angemessen angepasst wird. Am häufigsten treten Nebennieren-Krisen dabei im Kindesalter auf, weil man in diesem Alter besonders häufig Infekte durchmacht. Aber ein zweiter Häufigkeitsgipfel liegt auch im jungen Erwachsenenalter zwischen 20 und 25 Jahren, der sogenannten „Rush Hour“ des Lebens. In diesem jungen Erwachsenenalter stehen Berufsausbildung/Karriere und Beziehungsaufbau/Familiengründung im Vordergrund, sodass in dieser Phase wichtiger Umbrüche eine chronische Erkrankung oft in den Hintergrund tritt.

Menschen mit einem Kortisolmangel und deren Angehörige sollten auch für den Umgang mit der Hydrocortison-Notfallspritze geschult werden, die bei drohender Nebennieren-Krise umgehend verabreicht werden sollte.

Rush-Hour

Jungen Erwachsene, zwischen 20 und 25 Jahren, befinden sich in der sogenannten „Rush Hour“ des Lebens. In dieser Zeit stehen Berufsausbildung/Karriere und Beziehungsaufbau/Familiengründung im Vordergrund.

Oft tritt dadurch eine chronische Erkrankung in den Hintergrund.

Die Hydrocortison-Notfallspritze

Schritt-für-Schritt Anleitung

Die Notfalltasche enthält die Ampulle mit dem Medikament (Hydrocortison), eine Spritze und 2 Nadeln. Gib das Medikament, auch wenn du nicht ganz sicher bist, ob es sich um eine Nebennierenkrise handelt. Das Medikament hat keine Nebenwirkungen.

Das Injektionsfläschen mit dem Medikament.

Drücke kräftig auf den Plastikdeckel, dass sich die Flüssigkeit mit dem Pulver vermischen kann.

Mische beides vorsichtig.

Es soll nicht schäumen.

Wenn die Flüssigkeit klar ist, stecke die dicke Nadel auf die Spritze.

Ziehe die Flüssigkeit in die Spritze auf.

Nimm jetzt die dicke Nadel ab und setze die dünne Injektionsnadel auf die Spritze.

Halte die Nadel nach oben gerichtet. Drücke auf den Kolben, bis ein Tropfen an der Nadelspitze erscheint und keine Luft mehr in der Spritze enthalten ist.

Steche die Nadel in den mittleren seitlichen Oberschenkel (im Notfall auch durch die Kleidung hindurch) und verabreiche das Medikament vollständig.

Mögliche Symptome

Mögliche Symptome einer beginnenden Nebennierenkrise sind:

  • schlechter Allgemeinzustand
  • Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen
  • niedriger Blutdruck
  • niedriger Blutzucker
  • im Labor: Verschiebung der Blutsalze (Elektrolytentgleisung)

Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen können Symptome einer beginnenden Nebennierenkrise sein.

Alle Menschen mit einem Kortisolmangel sollten im Besitz eines Notfallausweises sein! Es existiert der Europäische Kortisolmangel-Notfallausweis, den es in einer Version für Kinder und Jugendliche gibt und in einer Version für Erwachsene.

Der Notfallausweis des Netzwerks Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen für Betroffene mit Cortisol-Mangel enthält allgemein zusätzliche Hinweise für die Anpassung bei Kindern und Jugendlichen.

Die Standard-Hydrocortison-Ersatztherapie muss fortwährend an Größe, Gewicht, klinische Parameter – darunter versteht man medizinische Messzahlen wie die Blutdruckhöhe – und gegebenenfalls auch an Laborwerte angepasst werden.

Eine zu niedrige Dosierung führt zu schlechtem Wohlbefinden mit niedrigem Energielevel und eventuell auch Neigung zu niedrigem Blutdruck und niedrigem Blutzucker.

Eine zu hohe Dosierung führt zu Gewichtszunahme, hohem Blutdruck, roten Dehnungsstreifen auf der Haut, zu hohem Blutzucker und zu einer Muskelschwäche sowie einer verminderten Knochendichte.

Aus diesen Gründen ist eine optimale Betreuung bei einem/r Hormonspezialisten/in auch im Erwachsenenalter erforderlich!

2. TRH – TSH – Schilddrüsen-/ Schilddrüsenhormon-Achse

TRH ist die Abkürzung für das Thyreotropin-Releasing-Hormon (Freisetzungshormon), das vom Hypothalamus freigesetzt wird und dann die Hirnanhangsdrüse anregt, das TSH (= Thyroidea stimulierendes Hormon oder Thyreotropin) auszuschütten. Das TSH regt in der Schilddrüse dann die Bildung und Freisetzung von Schilddrüsenhormon an. Das Schilddrüsenhormon regelt im Körper das Tempo von vielen Stoffwechselvorgängen, die Temperatur und in der Kindheit die neurologische, also auf das Nervensystem bezogene Entwicklung und das Wachstum. Wenn TRH und/oder TSH fehlen, spricht man von einer zentralen Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose).

Das Schilddrüsenhormon wird als Tablette mit dem Wirkstoff L-Thyroxin ersetzt. Dabei handelt es sich um die Speicherform des Schilddrüsenhormons, aus der der Körper dann die benötigte Menge an biologisch aktivem Schilddrüsenhormon freisetzt. Idealerweise sollte das Schilddrüsenhormon immer morgens nüchtern eine halbe Stunde vor dem Essen eingenommen werden. Kaffee und Sojamilch-Produkte behindern besonders die Aufnahme von Schilddrüsenhormon, weshalb diese nicht zur Schilddrüsenhormon-Aufnahme konsumiert werden sollten.

3. GnRH – LH/FSH (=Gonadotropine) – Keimdrüsen-Sexualhormon-Achse

Vom Hypothalamus im Zwischenhirn wird GnRH (Gonadotropin Releasing Hormon) ausgeschüttet, das die Hirnanhangsdrüse anregt. Von dieser werden dann die Botenstoffe LH (Luteinisierendes Hormon) und FSH (Follikel-stimulierendes Hormon) ausgeschüttet. Über das Blut gelangen die Botenstoffe LH und FSH zu den Keimdrüsen (Eierstöcke bei Frauen, Hoden bei Männern). Dort wird schließlich die Bildung von Geschlechtshormonen angeregt: bei Frauen Östrogen und bei Männern Testosteron.

Das Östrogen führt bei Frauen zur Brustentwicklung. Unter dem Hormon- einfluss wachsen auch die Gebärmutter, die Eierstöcke und die Gebärmutterschleimhaut. Im Zusammenspiel mit dem Gelbkörperhormon Progesteron kommt es zum Periodenzyklus. Das Östrogen ist bei Frauen auch ein wichtiger Faktor, um eine gute Knochendichte aufzubauen. Außerdem schützt das Östrogen auch vor Herzinfarkt und Schlaganfall.

Das Testosteron führt bei Jungen zu einer Größenzunahme von Penis und Hodensack und zum Wachstum von Scham-, Achsel- und Barthaaren. Außerdem kommt es unter dem Testosteroneinfluss zu einer Größenzunahme des Kehlkopfes und zum Stimmbruch. Unter dem Einfluss von Testosteron nehmen bei Jungen des Weiteren die Knochendichte und die Muskelmasse zu.

4. GHRH – GH – IGF-1-Achse (Wachstumshormon-Achse)

Das „Growth Hormone“-Releasinghormon (Wachstumshormon-Freisetzungshormon) aus dem Hypothalamus regt die Hirnanhangsdrüse zur Ausschüttung von Wachstumshormon an. In der Leber wird dann das Wachstumshormon-Folgeprodukt IGF-1 gebildet. Sowohl Wachstumshormon als auch IGF-1 wirken direkt an der Wachstumsfuge – einem Knochenbereich, aus dem heraus im Kindes- und Jugendalter das Wachstum erfolgt – und regen das Knochenwachstum an. Wenn das Schilddrüsenhormon fehlt, ist die Wirkung von Wachstumshormon und IGF-1 herabgesetzt, was zu einem verminderten Wachstum führt. Die Sexualhormone regen die Hirnanhangsdrüse an, besonders viel Wachstumshormon auszuschütten, wodurch es zum Pubertätswachstumsspurt kommt. An diesen Beispielen wird das vielschichtige Zusammenspiel der verschiedenen Hormone deutlich.

Das Wachstumshormon wird in besonderem Maße für das Längenwachstum des Menschen benötigt. Darüber hinaus hat es auch noch weitere Funktionen: Es stabilisiert den Blutzucker und ist auch für das Erreichen der maximalen Knochendichte ein wichtiger Faktor. Außerdem beeinflusst es die Körperzusammensetzung (weniger Fettmasse, mehr Muskelmasse).

Aus diesem Grund überprüft man bei Menschen mit einem in der Kindheit diagnostizierten Wachstumshormon-Mangel nach Ende der Wachstumsphase, ob dieser Mangel im jungen Erwachsenenalter fortbesteht. Falls dies der Fall ist, sollte die Wachstumshormon-Therapie in einer niedrigeren Dosierung zumindest bis zum Erreichen der maximalen Knochendichte im Alter von 25 bis 30 Jahren fortgeführt werden.

Das Wachstumshormon muss täglich vor dem Schlafen in das Unterhautfettgewebe gespritzt werden (subkutane Injektion), z. B. in den Bauch oder in den Oberschenkel. Es gibt mittlerweile auch Präparate, die man nur noch einmal in der Woche spritzen muss, die sich kurz vor der Zulassung befinden.

Injektion

Das Wachstumshormon muss täglich vor dem Schlafen in das Unterhautfettgewebe gespritzt werden (subkutane Injektion), z. B. in den Bauch oder in den Oberschenkel.

5. Zentrale Regulation des Flüssigkeitshaushaltes

Ein Mangel des den Flüssigkeitshaushalt regulierenden Hormons (ADH= antidiuretisches Hormon) kann genetisch bedingt vorkommen oder aber bei einer Schädigung des Hirnanhangsdrüsen-Hinterlappens.

Das ADH wirkt direkt an der Niere und führt dazu, dass Wasser zurückgehalten wird. Bei einem ADH-Mangel muss man meistens deutlich mehr als 3 Liter am Tag trinken. Auch nachts wacht man vor Durst mehrfach auf und trinkt größere Mengen Wasser.

Wenn man mit dem Trinken nicht nachkommt, kann es auch zu gefährlichen Verschiebungen der Blutsalze (Natriumüberladung) und zu einer Austrocknung (Dehydratation) kommen.

Auch für das ADH gibt es eine Hormon-Ersatztherapie: Der Wirkstoff heißt Desmopressin (DDAVP) und steht als Nasenspray, als Tablette oder zum Spritzen ins Unterhautfettgewebe zur Verfügung.

Die Dosisfindung ist dabei nicht immer ganz einfach. Wenn die Dosis zu hoch ist, hört man auf Urin zu produzieren und es kommt zu einer „Wasserverdünnung“ des Blutes („Wasserintoxikation“) mit einer Hyponatriämie (erniedrigtes Natrium/Natriummangel), was sogar einen Krampfanfall auslösen kann. Wenn die Dosierung zu niedrig ist, produziert man weiterhin viel Urin und hat weiterhin viel Durst.

Ein Mangel des antidiuretischen Hormons wird auch als zentraler Diabetes insipidus bezeichnet.

Da die Feineinstellung der Desmopressin-Dosierung eine gewisse Erfahrung benötigt und erhebliche Schwierigkeiten bei einer Desmopressin-Fehldosierung auftreten können, ist im Erwachsenenalter weiterhin die Betreuung bei einer/m Hormonspezialistin/en erforderlich.

Nebennierenerkrankungen

Die häufigsten Nebennierenerkrankungen sind Biosynthese-Störungen des Stresshormons Kortisol aufgrund von meistens vererbten Gendefekten (Zusammenfassung unter dem Namen „Adrenogenitales Syndrom – AGS“) und ab dem Schulalter außerdem eine Autoimmunentzündung der Nebenniere (Autoimmun-Adrenalitis), oft auch im Rahmen von weiteren Autoimmunerkrankungen. Die Autoimmunentzündung der Nebenniere wird auch Morbus Addison genannt.

Die häufigste Form des Adrenogenitalen Syndroms (AGS mit 21-Hydroxylase-Mangel) wird im Neugeborenen-Screening erfasst, also im Rahmen der üblichen Untersuchungen von Neugeborenen. Damit wird es in den meisten Fällen bereits kurz nach der Geburt diagnostiziert. Aufgrund des Enzymdefektes kann das Stresshormon Kortisol nicht in ausreichender Menge gebildet werden. In 75%–90 % der Fälle fehlt auch das Salzhaushalt-regulierende Hormon Aldosteron, sodass es zu einer Salzverlust-Krise kommen kann.

Die Therapie beim AGS besteht in einem Ersatz der fehlenden Hormone mit Hydrocortison und Fludrocortison in Tablettenform. Beim AGS ist eine etwas höhere Hydrocortison-Dosis erforderlich als bei einer reinen Ersatztherapie, weil beim AGS die vor dem Enzymblock anstauenden Hormonvorstufen vermehrt in die Produktion von männlichen Hormonen eingeschleust werden. Diese vermehrte Produktion von männlichen Hormonen muss durch eine etwas höhere Hydrocortison-Dosis unterdrückt werden. Als Richtschnur für die Hydrocortison-Dosis bei AGS gilt eine Dosis zwischen 10 und 15 mg/m2/Tag.

Die Hydrocortison-Ersatztherapie bei AGS muss fortwährend an die Körperoberfläche und die AGS-Stoffwechseleinstellung angepasst werden.

Eine zu niedrige Dosierung führt zu schlechtem Wohlbefinden mit niedrigem Energielevel und eventuell auch Neigung zu niedrigem Blutdruck und niedrigem Blutzucker. Außerdem werden bei zu niedriger Dosis vermehrt männliche Hormone gebildet, was zu störendem Haarwuchs, Akne, Vermännlichung und Zyklusunregelmäßigkeit bei Frauen und zu einer eingeschränkten Fruchtbarkeit bei beiden Geschlechtern führen kann.

Bei Männern können besonders bei schlechter AGS-Einstellung auch sogenannte tesitikuläre adrenale Resttumoren (TART) auftreten. Dabei handelt es sich um zwar gutartige Knoten im Hoden, die jedoch durch Druck den Hoden schädigen und die Fruchtbarkeit beeinträchtigen können.

Eine zu hohe Hydrocortison-Dosierung führt zu Gewichtszunahme, hohem Blutdruck, roten Dehnungsstreifen auf der Haut, zu hohem Blutzucker und zu einer Muskelschwäche und einer verminderten Knochendichte.

Bei der Hormon-Ersatztherapie mit Fludrocortison kommt es ebenfalls auf die richtige Dosierung an: Ist die Dosierung zu niedrig, kann es zu einer Salzverlustkrise mit lebensbedrohlicher Entgleisung der Blutsalze und zu einem niedrigen Blutdruck mit Schwindelgefühl kommen. Ist die Dosierung zu hoch, kommt es zu einem Bluthochdruck, was z. B. zu Kopfschmerzen führen kann.

Beim Morbus Addison ist eine reine Hydrocortison-Ersatztherapie ausreichend (keine Unterdrückungstherapie wie beim AGS): Dabei liegt die Hydrocortison-Dosis zwischen 8 und 10 mg/m2/Tag. Meistens ist auch beim Morbus Addison eine Aldosteron-Ersatztherapie mit Fludrocortison erforderlich. Beim Morbus Addison handelt es sich um eine Autoimmun-Erkrankung, das bedeutet, dass körpereigene Immunzellen die Nebennierenrinde angreifen und diese zerstören. Der Morbus Addison kann alleine vorkommen oder aber auch im Rahmen von sogenannten autoimmunen Polyendokrinopathien (mehre autoimmunbedingte endokrinologische Erkrankungen treten gemeinsam auf): So kann ein Morbus Addison auch mit einem Typ 1 Diabetes, einer Autoimmun-Schilddrüsenentzündung (Hashimoto Thyreoiditis) oder einem Mangel an Parathormon (das Parathormon regelt den Calcium- und Phosphat-Haushalt) einhergehen.

Sowohl beim AGS als auch beim Morbus Addison gilt es, zeitlebens auf der einen Seite die potenziell lebensbedrohlichen Nebennieren-Krisen und auf der anderen Seite eine langfristige Hydrocortison-Überdosierung zu verhindern. Sie kann sonst zu Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes und verminderter Knochendichte führen. Aus diesem Grund muss bei den Nebennierenerkrankungen auch im Erwachsenenalter die Hydrocortison-Dosis regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

Transition

Wenn man sich überlegt, dass heutzutage die Lebenserwartung bei 80–100 Jahren liegt, steht fest, dass man als junger Erwachsener noch 3/4 – 4/5 des Lebens vor sich hat. Eine gute Gesundheit für diese lange Lebenserwartung wünscht sich wohl jede und jeder. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass mit einer chronischen Erkrankung der Wechsel von der Kinder- und Jugendmedizin in die Erwachsenenmedizin gut gelingt!

Bei diesem Übergang, also der Transition, handelt es sich nicht um ein einzeitiges Ereignis. Im optimalen Fall ist es vielmehr ein lang angebahnter Prozess, in dem die/der Jugendliche immer besser zu seiner Erkrankung und Therapie informiert ist und in dem er/sie sich zunehmend selbstständig um die medizinischen Belange kümmert. Dazu gehören z. B. alleine in die Sprechstunde gehen, den Überblick über die benötigten Medikamente und Vorsorgeuntersuchungen behalten, das Wissen zum bisherigen Krankheitsverlauf etc.

Bereits im Jugendalter sollte man schon mal den Ausblick in die Erwachsenenmedizin wagen, wie es wohl sein wird, wenn man mit 18–20 Jahren dort betreut wird. Generell gilt, dass in der Erwachsenenmedizin die Termine enger getaktet sind und man sich gut auf die Sprechstunde vorbereiten sollte, damit man nichts vergisst.

Insgesamt wird dann auch mehr Eigenverantwortung erwartet als in der Kinder- und Jugendheilkunde.

In Vorbereitung auf die Transition sollte der Jugendliche zunehmend Kenntnisse zu seiner Diagnose, zur Therapie und zum bisherigen Krankheitsverlauf haben. Außerdem sollte man einen Überblick über die benötigten Vorsorgeuntersuchungen behalten.

Für Medikamente sind ab 18 Jahren häufig Zuzahlungen erforderlich. Bei schweren Erkrankungen sind allerdings bisweilen Ausnahmeregelungen gegeben. Auch gibt es eine Belastungsgrenze, nach deren Überschreiten man 

für den Rest des Jahres von Zuzahlungen befreit ist. Informiere Dich dazu bei Deiner Krankenkasse.

Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen sind oft sehr vielschichtig. Nicht selten ist deshalb die Einbeziehung von Ärzten anderer Fachrichtungen erforderlich. Im Idealfall sollte dies vom behandelnden Endokrinologen koordiniert werden.

In der Erwachsenenmedizin ändern sich oft die Behandlungsziele. Bei der Kinder- und Jugendmedizin ging es vor allem darum, gut durch die Wachstumsphase und durch die Pubertät zu kommen.

Nun wird es zunehmend wichtiger, dauerhafte Beschwerden zu vermeiden. Auch Themen wie Sexualität, Kinderwunsch und die Bewältigung des Berufs in Verbindung mit der Erkrankung rücken in den Vordergrund.

Das Netzwerk Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen stellt übrigens Patientenmappen zur Verfügung, die gut für die Vorbereitung auf die Sprechstunde geeignet sind, aber auch um allgemein einen geordneten Überblick über den persönlichen Krankheitsverlauf zu haben. Weitere Informationen zum Netzwerk sind ab S. 33 zu finden. Hilfreich kann es auch sein, sich genau zu notieren, was man mit der Ärztin/dem Arzt alles besprechen möchte, damit man nichts vergisst.

Um Deine „Transitionsbereitschaft“ zu testen, kannst Du einmal folgende Fragen durchgehen:

Fragen

  1. Löst Du Rezepte selbst in der Apotheke ein?
  2. Kennst Du mögliche Nebenwirkungen Deiner Medikamente und weißt Du, wie Du Dich bei Auftreten von Nebenwirkungen verhalten sollst?
  3. Nimmst Du Deine Medikamente selbstständig und regelmäßig ein?
  4. Kümmerst Du Dich selber um die Nachbestellung Deiner Medikamente?
  5. Vereinbarst Du Deine Arzttermine selbst?
  6. Nimmst Du empfohlene Untersuchungen bei anderen Ärzten wahr (z. B. beim Frauenarzt oder Urologen)?
  7. Fährst Du selber zum Arzt?
  8. Meldest Du Dich bei Problemen selbst bei Deiner Ärztin/bei Deinem Arzt?
  9. Kennst Du Dich mit der Krankenversicherung aus?
  10. Weißt Du, welche Kosten die Krankenkasse übernimmt und welche nicht?
  11. Regelst Du Deine Geldangelegenheit schon selbst?
  12. Füllst Du medizinische Fragebögen selbst aus?
  13. Verwendest Du einen Terminkalender, um alle Deine Termine im Blick zu behalten?
  14. Traust Du Dich, über gesundheitliche Probleme in der Sprechstunde zu reden, oder bist Du noch sehr schüchtern?
  15. Beantwortest Du Fragen in der Sprechstunde bislang selbst oder lässt Du die Eltern antworten?
  16. Hast Du selbst die Kontakt-Telefonnummer/Kontakt-E-Mail Deiner Ärztin/ Deines Arztes?
  17. Kannst Du Deine genaue Diagnose benennen?
  18. Kannst Du Deine Medikamente benennen und kennst Du die Dosierungen?
  19. Kannst Du Auskunft zum bisherigen Krankheitsverlauf geben?
  20. Hast Du einen aktuellen Arztbrief?

Wenn Du viele dieser Fragen positiv beantworten kannst, bist Du schon ziemlich „transitionsbereit“!

Eine gelungene Transition bedeutet eine gute Anbindung an die medizinische Erwachsenenversorgung, um die Gesundheit so gut und so lange wie möglich zu erhalten. Gerade bei Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen ist die lebenslange medizinische Anbindung notwendig. Dies ist die Voraussetzung, um eine möglichst gute Lebensqualität zu behalten, damit man lange gesund bleibt und man auch frühzeitig mögliche Nebenwirkung durch die Hormon-Ersatztherapie erkennt.

Falls Du Angst vor dem Übergang hast, dann sprich Deine Bedenken offen beim Kinder- und Jugendmediziner an. Optimal ist es, wenn auch Deine Eltern in den Übergangsprozess eingebunden werden. Dies ist natürlich nicht bei Themen notwendig, die Du lieber alleine mit der Ärztin oder dem Arzt besprechen möchtest. Das können Themen wie Sexualität oder der Umgang mit Alkohol sein. Mit Deinem Arzt kannst Du alles offen besprechen. Er hat Schweigepflicht.

Manchmal sind auch sogenannte Übergangssprechstunden möglich, bei denen dann der bisherige und der neue behandelnde Arzt anwesend sind.

Es ist normal, dass man in der Phase des Übergangs vom Jugend- und Erwachsenenalter viele andere Dinge im Kopf hat. Die Gesundheit steht da oft nicht an erster Stelle.

Aber bedenke, dass die Einhaltung ärztlicher Empfehlungen vor allem für Dich selbst wichtig ist. Die Auswirkungen, wenn man entsprechende Empfehlungen nicht einhält oder gar die ärztliche Betreuung völlig abbricht, zeigen sich manchmal erst nach längerer Zeit. Sie können dann aber umso drastischer sein.

Natürlich muss auch die Chemie mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt stimmen. Sprich es offen an, wenn Dich etwas stört. Manchmal kann auch ein Wechsel sinnvoll sein.

Mit freundlicher Unterstützung der AOK