Kraniopharyngeom

Information für Kinder und Jugendliche

Das Kraniopharyngeom ist ein gutartiger Tumor im Bereich der Hirnanhangdrüse des Kopfes, der aus Zysten – das sind so eine Art Wasserblasen, die nicht in den Körper gehören – und festem Gewebe bestehen kann.

Was ist das?

Die Diagnose wird am häufigsten zwischen dem 8. und dem 15. Lebensjahr gestellt. Das Kraniopharyngeom ist allerdings schon lange vorher vorhanden, da ist es aber viel kleiner und macht keine Probleme. Deshalb bemerkt man es auch nicht.

Jeder 10. Tumor im Kopf bei Kindern ist ein Kraniopharyngeom. Insgesamt sind laut Statistik zweieinhalb Kinder pro einer Million Menschen jedes Jahr neu davon betroffen. Das ist ganz schön wenig. Aber das ist eine Statistik und hilft auch nicht weiter, wenn man selbst betroffen ist.

Eigentlich sind Kraniopharyngeome gar keine richtigen Hirntumoren, sitzen aber leider im Kopf und nehmen dort Platz weg, wo doch eh schon so wenig Platz dort ist. Außerdem ärgern sie da benachbarte Strukturen, wie zum Beispiel den Sehnerven oder die Hirnanhangsdrüse. Wenn man es dann endlich erwischt, hat es schon etwas Ärger gemacht und ein paar Leitungen in den Bereichen im Kopf lahmgelegt. Deshalb ist das Kraniopharyngeom auch nach einer vollständigen Operation nicht weg wie ein Pickel, den man entfernt, sondern zwingt seinen Besitzer, auch nach vollständiger Entfernung, lebenslang besonders auf sich aufzupassen. Es ist eine sogenannte „chronische Erkrankung”. Aber dazu erzählen wir Euch später noch viel mehr.

Also, die Kraniopharyngeom-Zellen sind von Geburt an schon im Kopf und entschließen sich irgendwann einmal zu wachsen.

Wenn sie auf den Sehnerv drücken, können bei den betroffenen Kindern Sehstörungen auftreten. Diese können verschiedener Natur sein. Eine Sehstörung wäre zum Beispiel, wenn man eine Tüte Eis statt einmal zweimal sieht oder ein Glas Limonade, das seitlich von einem steht, erst sieht, wenn man von vorne draufguckt. Das Ganze heißt dann zum einen „Doppelbild” oder im anderen Fall „Gesichtsfeldausfall”. Genau diese Störungen sind auch der Grund, warum jedes Kind mit einem Kraniopharyngeom zum Augenarzt muss.

Außerdem können Kinder mit Kraniopharyngeom klein sein, schlecht wachsen oder fürchterlich viel Durst haben und auch viel Pipi machen. Dies hat mit Hormonen zu tun und wird später noch besprochen.

Wenn das Kraniopharyngeom das Appetitzentrum des Gehirns ärgert, kann man richtig dick werden oder seltener auch entsetzlich mager, je nachdem, wo es das Zentrum ärgert.

Weil im Kopf so wenig Platz ist und das Kraniopharyngeom für sich immer mehr beansprucht (es wächst ja schließlich), kann es zu Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit, Müdigkeit, Ungeduld und Wut führen.

Wie wird es behandelt?

Aus den vorangegangenen Ausführungen wird klar: Es muss weg! Und das so schnell wie möglich. Das Beste ist, man wirft es restlos heraus ohne das umgebende gesunde Gehirn dabei zu verletzen, ich meine da eine Operation. Zum Glück gibt es Neurochirurgen, die sich unter anderem darauf spezialisiert haben und das auch wirklich prima können. Die setzen sich mit Dir und Deiner Familie vor der Operation zusammen und werden alles ganz genau erklären.

Es gibt da noch andere Möglichkeiten, die dann in Frage kommen, wenn eine Operation nicht geht. Das wäre zum Beispiel eine sogenannte „Zystenableitung” oder eine Bestrahlung.

Was kann nach der Operation geschehen?

Außer den Sachen, die Euer Neurochirurg mit Euch vor der Operation bespricht, können ein paar Dinge geschehen, die uns Kinderärzte besonders interessieren, weil wir zusammen mit den Kindern nach der Operation weiterarbeiten bzw. trainieren müssen.
Das eine betrifft das Essverhalten, das andere die Hormone und die damit zusammenhängenden Wirkungen, die wir sehen. Hormone sind Stoffe im Körper, die vielfältige Auswirkungen haben, etwa auf Gefühle und körperliche Funktionen.

Es wurde schon angesprochen, dass das Kraniopharyngeom in der Nähe des Esszentrums liegt, folglich kann man während der Operation das Esszentrum sehr ärgern, gerade, wenn man das Kraniopharyngeom da herausholen will. Als Folge kann sich ein enormer Appetit einstellen, der über Monate nach der Operation noch anhalten kann. Auf der anderen Seite ist es aber möglich, dass das Appetitzentrum für eine Weile ausgeschaltet ist, sodass nach der Operation ein Hungerkünstler aufwacht. Aber das ist sehr viel seltener als der Viel-Esser. Natürlich kann nach der Operation auch alles normal sein, und davon gehen wir eigentlich aus. Die Viel-Esser müssen sich halt auf leichtes Essen, Obst, Gemüse und wenig fette Speisen umstellen (wirksame Anti-Appetit-Pillen gibt es in diesem Falle nämlich nicht).

Mit den Hormonen ist das so eine Sache, die wir im Folgenden näher erläutern werden.

Hormonsysteme

Im Kopf gibt es ein Zentrum für eine Großgruppe von Hormonsystemen. Es gibt zwar noch andere Hormonsysteme, aber die interessieren uns im Zusammenhang mit dem Kraniopharyngeom nicht.

Das Zentrum der Hormonsysteme im Kopf, der Chef sozusagen, heißt „Hypothalamus”. Dieser befiehlt mit Befehlshormonen seinem Stellvertreter, der Hirnanhangsdrüse. Die Hirnanhangsdrüse steuert streng nach den Befehlen des Chefs die Funktion weiterer Hormonsysteme im Körper draußen durch Steuerhormone.

Durch den Chef und seinen Stellvertreter werden die Wasserausscheidung der Niere, die Schilddrüse, die Nebenniere, das Wachstum und die Geschlechtsdrüsen geregelt. Was genau es damit auf sich hat, wird noch im Folgenden besprochen.

Die Verbindung zwischen Chef und Stellvertreter ist ein stielförmiges Gebilde, der sogenannte Hypophysenstiel. Da das Kraniopharyngeom im Bereich der Hirnanhangsdrüse und des Hypophysenstiels wächst, kommt es häufig vor, dass dieser Hypophysenstiel bei der Operation durchtrennt werden muss oder bereits durch das Tumorwachstum zusammengequetscht ist.
Der Stellvertreter des Chefs, Hirnanhangsdrüse oder auch Hypophyse genannt, kann nur die Befehlshormone des Chefs, des Hypothalamus, umsetzen in Steuerhormone, selbständig kann er nicht arbeiten. Und das wäre auch furchtbar, denn da bräche im Kopf und im Körper das absolute Chaos aus.

Wenn der Hypophysenstiel nicht mehr funktioniert, über den die Befehlshormone des Chefs, also des Hypothalamus, zum Stellvertreter, der Hirnanhangdrüse, transportiert werden, weiß der Stellvertreter, die Hirnanhangdrüse oder auch Hypophyse, gar nicht mehr, was sie machen soll. Und was macht man, wenn man gar nicht mehr weiß, was zu tun ist? Man macht gar nichts. Und genau das ist der Fall. Dann gibt es auch keine Steuerhormone.

Und weil die anderen Drüsen im Körper ohne Steuerhormone auch nicht wissen, was sie machen sollen, passiert überhaupt nichts mehr. Das ist wie beim Streik. Und das ist dumm, gerade wenn es um den eigenen Körper geht. Aber da wir schlau sind, führen wir Euch alle Hormone, die Ihr braucht, über Tabletten, Nasenspray oder Spritzen zu.

Es gibt drei Hormonsysteme, ohne die wir bei Ausfall nicht lange überleben können, und andere, die erst einmal weniger akut sind. Wir kümmern uns, während Ihr bei uns im Krankenhaus seid, vor allem um die Hormone, die Ihr sofort braucht. Wir möchten Euch außerdem während des stationären Aufenthaltes soweit schulen, dass Ihr Fachleute dafür werdet und die Einstellung später selber überwachen könnt.

Niere und Regulation des Wasserhaushaltes

Wir bestehen zu mehr als der Hälfte aus Wasser. Der Wasserhaushalt ist daher sehr wichtig und wird vom Körper normalerweise sehr streng kontrolliert. Es wird verhindert, dass wir austrocknen wie eine Pflaume oder aufgeblasen werden wie ein Ballon.

Diese Kontrolle erfolgt durch das sogenannte ADH, das Antidiuretische Hormon, was nichts anderes bedeutet als das Hormon, das verhindert, dass wir zu viel pinkeln. Wie ist das möglich?

In der Niere werden bei einem erwachsenen Menschen täglich 180 Liter Plasmawasser gereinigt, bei Kindern ist es entsprechend weniger. Durch ein ausgeklügeltes System wird jedoch das meiste von den 180 Litern in der Niere selber wieder zurückgeholt und erscheint nie in der Blase. Unser ADH ist daran in hohem Maße beteiligt. ADH holt nämlich freies Wasser aus den Nierenkanälchen wieder zurück in den Blutkreislauf.

Stellt Euch nur einmal vor, was geschieht, wenn man 180 Liter am Tag pinkeln müsste! Wie schnell sieht man da aus wie eine Dörrpflaume! Vielleicht wird Euch nun klar, wie wichtig diese Regulierung ist!

Welche Rolle spielen dabei die Blutsalze?

Ganz einfach. Das Maß für die Konzentration des Blutes, besser gesagt für den Verdünnungsgrad, ist das Natrium im Körper, das vor allem als Salzverbindung vorkommt. Wir sagen, das Natrium soll in einem Bereich zwischen 135 und 145 Millimol pro Liter sein. Der Einfachheit halber lasse ich diese verwirrende Einheit im Folgenden weg.

Das bedeutet, ein Natrium von unter 135 zeigt ein zu verdünntes Blut an, und ein Natrium von über 145 sagt uns, dass das Blut zu dick ist, das heißt, es fehlt Wasser.

Ihr könnt Euch das folgendermaßen vorstellen: Wenn man in ein Gefäß mit Salzwasser Leitungswasser schüttet, wird das Wasser weniger salzig, und der relative Salzgehalt nimmt ab, unser Natriumwert sinkt. Wenn man das Salzwasser einkocht und Wasser verdampft, wird das Wasser salziger, der relative Salzgehalt nimmt zu, unser Natriumwert steigt.

Und hier ist auch die Verbindung zu unserem ADH = Antidiuretischen Hormon: Es wird im Hypothalamus (= Chef) gebildet - und zwar umso mehr, je höher der Blutsalzgehalt ist (das heißt, wenn das Blut zu konzentriert ist und zu wenig Wasser enthält). Der Chef leitet es über den Hypophysenstiel zur Hirnanhangsdrüse, von wo aus es ins Blut abgegeben wird. Es wandert zur Niere und holt Wasser zurück – und zwar genau so viel, dass das Natrium im Blut im ausgeglichenen Bereich zwischen 135 und 145 gehalten wird. Dies geschieht durch den Verdünnungseffekt mit Wasser.

Wenn nun kein Hypophysenstiel oder keine Hypophyse mehr da ist, gibt es auch kein ADH, es erfolgt keine Wasserrückführung, und die Flüssigkeit würde nur so aus dem Körper abrauschen, man säße praktisch nur noch auf der Toilette, was auf der einen Seite ganz schön öde wäre, auf der anderen Seite auch ganz schön gefährlich, denn: Erinnert Euch bloß an die Sache mit der Dörrpflaume. Aber keine Sorge: Dafür haben wir einen tollen Trick!

Was ist das spezifische Gewicht des Urins und was hat es damit zu tun?

Das spezifische Gewicht und die sogenannte Osmolalität des Urins sind Maße für dessen Konzentration und werden ins Verhältnis mit Wasser gesetzt. Wasser hat ein spezifisches Gewicht von 1000. Wenn der Urin ein spezifisches Gewicht wie Wasser hat, heißt das, dass es eigentlich Wasser ist, was da ausgeschieden wird. Also Wasser, das im Grunde in den Körper gehört und nur irrtümlich nicht zurückgeholt wurde. Eine Ausnahme wäre, wenn Ihr fürchterlich viel getrunken hättet. Dann darf man auch viel und hell pinkeln. Aber eben nicht zu viel. Man muss auch unterscheiden, ob man gerne viel trinkt oder viel trinken muss, weil zu viel ausgeschieden wird. Ist der Urin mehr konzentriert, ist er gelber, das spezifische Gewicht steigt an auf Werte bis etwa 1020 oder sogar 1030. Die Schwestern auf Station zeigen Euch gerne bei Eurem Urin, wie hoch das spezifische Gewicht jeweils ist. Ihr sollt lernen abzuschätzen, wie sehr Ihr im Augenblick konzentrieren könnt.

Heller Urin = wenig konzentrierter Urin = niedriges spezifisches Gewicht/ Osmolalität, dunkler Urin = höher konzentrierter Urin = hohes spezifisches Gewicht/Osmolalität.

Was kann bei Ungleichgewicht passieren?

Vor allem in der Anfangsphase nach der Operation kann es zu Blutsalzverschiebungen kommen, die wir jedoch vermeiden wollen. Ihr müsst Euch Euer Blut vorstellen als ein Gefäß mit einer mittleren Salzkonzentration (Natrium zwischen 135 und 145). Darin liegen Organe, unter anderem das Gehirn mit einer ebenfalls mittleren Salzkonzentration. Wenn nun das Blut plötzlich verdünnt wird mit Wasser, nimmt der Salzgehalt des Blutes ab. Und was geschieht mit dem salzhaltigen Organ in dem Gefäß mit der wenig salz- haltigen Flüssigkeit? Es bläht auf. Wir nennen das Ödem. Ein Ödem des Gehirns macht Krämpfe. Und das ist, gerade wenn es sich um das Gehirn handelt, ziemlich doof. Dies darf man jedoch nicht mit einem Krampfleiden verwechseln, also einer Epilepsie, das ist nämlich ganz etwas anderes. Ein Krampfanfall tritt nach so einer Operation selten auf, man muss auch wissen, dass er gut zu durchbrechen ist und sich nur in den allerseltensten Fällen wiederholt.

Wenn zu viel Salz in dem Gefäß ist, schrumpeln die Organe, und das ist auch nicht sehr angenehm, auch hier kann es zu Krämpfen kommen.

Diabetes insipidus

Diabetes insipidus dürft ihr nicht verwechseln mit Diabetes mellitus. „Diabetes” selbst heißt dabei nur, dass man viel pinkeln muss. Die Ursachen sind völlig verschiedene. Das könnt Ihr auch Verwandten und Tanten sagen, die Euch danach fragen.

Wenn der Hypophysenstiel durchtrennt wird, gibt es kein ADH mehr, in der Niere wird kein freies Wasser mehr zurückgeholt, eigentlich müsste man jetzt andauernd pinkeln (Diabetes). Es wäre also ein ADH-Diabetes. Diabetes bei Zuckerkranken (Diabetes mellitus) kommt von dem vielen Zucker im Urin, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Die Zuckerkranken haben genug ADH.

Der Trick mit dem Desmopressin

Ihr habt zwar kein selbstgebautes ADH mehr in Eurem Körper, dafür haben wir ADH in der Flasche als Nasenspray oder als Nasentropfen, die mit einem kleinen Schlauch (Rhinyle) eingeführt werden, als Tablette oder als Schmelztablette. Das heißt, eigentlich braucht man überhaupt kein eigenes ADH, solange man welches in der Flasche oder der Packung hat. Unser ADH heißt Desmopressin, das ist der Wirkstoff. Den gibt es im Handel unter verschiedenen Bezeichnungen, Desmopressin, Minirin, Desmotabs, Octistim oder wie sie alle heißen. Aber es ist immer der Wirkstoff Desmopressin darin enthalten. Und das geben wir Euch. Wichtig ist dabei, dass Ihr Desmopressin so gut dosiert bekommt, dass das Blut weder zu verdünnt noch zu konzentriert ist. Dazu bestimmen wir das Natrium, das in einem Bereich zwischen 135 und 145 sein sollte. Außerdem bilanzieren wir Euch, das heißt, wir schreiben auf, was Ihr trinkt und wie viel Pipi Ihr macht. Dabei schauen wir, dass die Menge, die Ihr trinkt, in etwa mit der Menge übereinstimmt, die ihr ausscheidet. So bleibt auch das Körpergewicht gleich, das messen wir übrigens auch.

Wenn Ihr viel pinkeln müsst, viel Durst habt und das spezifische Gewicht/ Osmolalität des Urins sinkt (auf Werte um etwa 1005), ist es Zeit, Desmopressin zu nehmen. Damit wird die Niere veranlasst, endlich mehr Wasser zurück in den Körper zu holen und nicht sinnlos auszuscheiden. Bei den leichten Wasserschwankungen dauert es eine Weile, bis sich das Blutnatrium verändert und das ist gut so. Das Blutnatrium bestimmen wir nur zur allgemeinen Überwachung.

Desmopressin-Nasenspray gibt es in verschiedenen Dosierungen, von der Mini-Menge 0.0125 ml über 0.0250 bis hin zu 0.1ml. Auch die Tabletten sind verschieden dosiert, aber das bespricht Euer Arzt ganz genau mit Euch. Das hängt ganz davon ab, wie groß Ihr seid und wie viel Ihr braucht. Sportler zum Beispiel brauchen etwas mehr.
 

Wie gehe ich mit dem Desmopressin um?

Ihr sollt auf Station lernen, selbständig zu bemerken, wann die Wirkung des Desmopressins soweit abgesunken ist, dass Ihr wieder neues braucht.

Also merkt Euch nochmals die Zeichen, wann wieder Desmopressin-Zeit ist:

  • viel und oft hintereinander pinkeln müssen
  • Urinfarbe wird hell bis durchsichtig (spezifisches Uringewicht sinkt)

Wir versuchen, das Desmopressin zweimal am Tag zu geben, morgens vor der Schule und abends vor dem Schlafengehen. Das ist nämlich besonders schlau, weil Ihr dann sowohl in der Schule als auch in der Nacht Eure Ruhe habt. Vorübergehend, vor allem in der Anfangszeit, kann es sein, dass wir Euch das Desmopressin öfters verabreichen müssen, um Euren Bedarf zu decken und herauszufinden, wie viel Desmopressin Ihr eigentlich braucht. Dabei fangen wir mit der kleinsten Dosis (bei Nasenanwendung = 0,0125 ml)

Nebenniere und Cortison

Da der Hypothalamus nicht nur Chef über die Wasserrückführung der Niere ist, sondern noch viel mächtiger, müssen wir uns noch mit weiteren Hormonsystemen beschäftigen.

Da haben wir zum Beispiel die Nebenniere. Also der Chef schickt Befehlshormone speziell für die Nebenniere über den Hypophysenstiel zur Hirnanhangsdrüse. Damit werden wiederum spezielle Steuerhormone zur Nebenniere geschickt, um Cortison, im Körper heißt es ja: Cortisol, zu produzieren. Vielleicht habt Ihr oder Eure Eltern schlimme Sachen über Cortison gehört oder gelesen, aber, und da beißt die Maus keinen Faden ab, jeder Mensch produziert über den oben beschriebenen Weg eigenes Cortisol.

Cortisol ist dazu da, dass wir uns gut fühlen und leistungsfähig sind. Es ist sozusagen ein Stresshormon und wird auch umso mehr produziert, je größer der Stress ist. Am Morgen ist die körpereigene Produktion am höchsten, sie flacht dann sehr schnell ab, abends sind viele Menschen schlapp und dürfen auch nach einem anstrengenden Tag schlapp sein, da brauchen sie kein Cortisol, und es wird auch nur in kleinen Mengen produziert. Außerdem reguliert das Cortisol auch den Blutsalzhaushalt mit.

Wenn der Hypophysenstiel durchtrennt ist, herrscht im Körper Cortisolproduktionsstreik. Aber auch das stört uns überhaupt nicht, wir haben nämlich Cortisol in Tablettenform da, was wir Euch geben. Das heißt bei uns „Hydrocortison”. Die Dosis pro Tag wird nach der Körperoberfläche ausgerechnet, was im Klartext heißt: Je größer Ihr seid und je mehr Ihr wiegt, desto mehr Hydrocortison benötigt Ihr. Das bedeutet natürlich, dass Ihr unsere angesetzte Dosierung von Zeit zu Zeit überprüfen lassen solltet.

Was muss ich beim Cortison beachten?

Wir geben am Morgen die höchste Dosis und machen dabei Euren eigenen Körper nach, der ja auch unter normalen Umständen am Morgen ein Produktionshoch hätte.

Wichtig ist dabei, dass man nicht zu viel Hydrocortison bekommt, denn da bekommt man die Nebenwirkungen ab: ein Mondgesicht, einen Rettungsring, der aus Fett um den Bauch besteht, aber auch andere Wirkungen, die man nicht auf den ersten Blick sieht und die langfristig gesehen schaden. Das wäre zum Beispiel eine Knochenentkalkung oder ein Muskelabbau.
Wir haben ja bereits gesagt, dass Cortisol eigentlich ein Stresshormon ist. Was also tun, wenn Ihr wirklich Stress habt, zum Beispiel hohes Fieber oder eine Operation? (Normale Schule gehört selbstverständlich nicht dazu, das fällt unter „normalen” Stress und ist in der Grunddosis dabei.)

Also, bei echtem Stress muss man die Hydrocortison-Dosis vorübergehend auf das zwei- bis dreifache erhöhen.

Ganz einfach.
 

Was geschieht ohne Cortison?

Es gibt bei Erwachsenen ein Krankheitsbild, der Morbus Addison, da ist die Nebenniere zerstört. Den Patienten fehlt das körpereigene Cortisol. Sie sind schlapp, haben dunkle Haut und erbrechen oft, im Blut sieht man Blutsalzverschiebungen. Diese Patienten brauchen auch Hydrocortison, damit es ihnen wieder gut geht.

Was akut auch bei Euch auftreten kann, ist die Antriebslosigkeit, wenn man nur noch schlapp auf dem Sofa herumliegt und immer nur schlafen will. Das ist ein Zeichen für Cortisolmangel. Es kann sogar so weit führen, dass Euch übel wird und Ihr erbrechen müsst.

Dann dürft Ihr keine Zeit verlieren und müsst mehr Cortison nehmen und zum Arzt gehen, um die Blutsalze zu kontrollieren! Wenn Ihr erbrechen müsst oder hohes Fieber habt, kann es notwendig sein, dass Eure Eltern oder Betreuer zuhause Cortison mit einer Notfallspritze verabreichen müssen. Das kann man mit den Eltern auch prima trainieren, solange Ihr Euch noch im Krankenhaus befindet.

Wir finden auch, dass Ihr selber super informiert sein müsst, was Eure chronische Erkrankung betrifft, weil auch der eine oder andere Arzt da draußen mit noch so viel Erfahrung vielleicht vergisst, Euer Cortison Eurem akuten Bedarf anzupassen. Und das wäre ziemlich blöd.

Ihr müsst Euch merken:
Übelkeit und Erbrechen kann bei Euch immer ein Zeichen sein, dass eine Verschiebung der Blutsalze besteht, also: immer kontrollieren!

Schilddrüse und Schilddrüsenhormon

Schilddrüsenhormon wird normalerweise über den selben Mechanismus im Körper ausgeschüttet wie Cortisol. Schilddrüsenhormon macht auch fit, verstärkt Stoffwechselfunktionen – darunter versteht man die Umwandlung im Körper von Nahrung zu Energie – und die Herzleistung.

Wenn es nicht da ist, wird man schlapp, bekommt Verstopfung, die Haut wird teigig, und man wird insgesamt langsam.
Auch das bekommt Ihr von uns ersetzt.

Wer zuviel Schilddrüsenhormon hat, wird hibbelig, nervös, schwitzt viel und kann nicht schlafen. Aber wir stellen Euch so gut ein, dass Ihr immer im ausgeglichenen Bereich seid.

Warum ich keinen Kropf bekomme

So manch einer wird sich fragen, ob jetzt, wo kein Schilddrüsenhormon mehr da ist, ein Kropf wächst, vielleicht habt Ihr einen Fall in der Familie – aber keine Sorge, das geschieht niemals.

Kröpfe kommen nämlich dadurch zustande, dass die Schilddrüse zu wenig Schilddrüsenhormon produziert. Der große Chef, der Hypothalamus, merkt das natürlich sofort und schickt eine Ladung Befehlshormone an die Hirnanhangsdrüse, sie solle sofort Steuerhormone für die Schilddrüse produzieren. Diese produziert also eine ebenso große Ladung Steuerhormone an die arme Schilddrüse, die ja vielleicht gar nicht besser arbeiten kann, weil vielleicht Jod fehlt im Körper. Man muss wissen, dass Jod für die Produktion von Schilddrüsenhormon superwichtig ist. Und was macht die Schilddrüse in ihrer Verzweiflung? Sie wächst, in der Hoffnung, dann mehr produzieren zu können. Und das ist dann der Kropf.

Wenn aber der Hypophysenstiel durchtrennt ist, kann der Chef befehlen und befehlen, aber es kommt nichts in der Hirnanhangsdrüse an. Also ist die Entstehung eines Kropfes unmöglich.

Weitere Hormone, die nicht akut ersetzt werden müssen

Dazu gehören Wachstumshormon und Geschlechtshormon, die alle über den uns bekannten Weg gesteuert werden und bei Euch fehlen können. Aber das müsst Ihr in einem Hormonzentrum nach der Operation und Ent- lassung einstellen lassen. Eine genaue Überprüfung der Hormone, auch des Hydrocortisons und des Schilddrüsenhormons, soll nach einigen Monaten ebenfalls im Hormonzentrum erfolgen. Dies geschieht durch Blutentnahme beim Schilddrüsenhormon und durch Kauen von Wattebällchen mehrmals am Tag beim Hydrocortison.

Ein paar abschließende Dinge möchten wir Euch auf den Weg geben: Wenn Ihr zu den sogenannten „Hochrisikopatienten” gehört, bei denen auch der Hypothalamus, der große Chef im Gehirn, angegriffen ist, kann es sinnvoll sein, möglichst früh nach der Operation im Rahmen einer Reha mehr zu lernen, um noch besser mit den neuen Gegebenheiten umgehen zu kön- nen. Denn es wird umso schwieriger, je ausgeprägter der Hypothalamus betroffen ist. Und nachdem Ihr die größten Spezialisten und Beobachter für Eure Krankheit werden sollt, ist Folgendes wichtig: dass Ihr selber darauf achtet, dass regelmäßige Hormonkontrollen, Augenarztkontrollen und MRT- Kontrollen gemacht werden. Und sagt den Radiologen beim MRT (eine Art Röntgen), dass Ihr kein Kontrastmittel mit Gadolinium haben sollt, weil das sich im Gehirn ablagern kann.

Seid mit Eurer Pflege und den Kontrollen nicht schlampig. Es geht um euer Wohlbefinden und Eure Gesundheit. Eine chronische Erkrankung braucht Pflege, damit Ihr ein normales Leben habt. Alles ist machbar. Wir Ärzte helfen Euch dabei.

Weitere Informationen

Nach dem Lesen weißt Du jetzt alles Wichtige zum Thema Kraniopharyngeom. Wir hoffen, dass Du dadurch motiviert bist, die langjährige Therapie konsequent und regelmäßig durchzuführen. Wir wünschen Dir viel Erfolg und alles Gute dabei!

Hier findest Du unser ePaper.

Erfahrungsberichte und Fachbeiträge

Vorträge

Spannende Vorträge finden Sie in unserem Mitgliederbereich. Loggen Sie sich dazu ein oder schließen Sie eine Migliedschaft ab.

Zur Mitgliedschaft