Operative Behandlung der Akromegalie – Bieten endoskopische Operationstechniken tatsächlich Vorteile?
Hintergrund
Die Hypophyse – auch Hirnanhangsdrüse genannt – ist für die Steuerung der Ausschüttung vieler wichtiger Hormone zuständig. Hypopyhsentumoren sind in der Regel gutartige, langsam wachsende Tumoren, die vom Hypophysenvorderlappen ausgehen. Man unterscheidet hormonin-aktive und hormonproduzierende Tumoren und teilt diese weiterhin nach der Größe in Mikro- und Makroadenome (≥10 mm) (kleine und große Geschwulste) ein. Die Darstellungsmethode der Wahl ist eine MRT (Magnetresonanztomographie) mit Kontrastmittel. Große Tumoren können den Sehnerv schädigen und zu Einschränkungen der Sehschärfe sowie zu Gesichtsfeldausfällen führen, sodass immer eine augenärztliche Untersuchung bei Vorliegen eines Hypophysentumors erfolgen sollte. Fester Bestandteil der Untersuchungen bei Hypophysenerkrankungen muss weiterhin die endokrinologische Diagnostik sein, die in vielen Fällen auch die weiteren Therapieempfehlungen mitbestimmt. Hypopyhsentumoren können die normale Hormonausschüttung beeinträchtigen und unter anderem zu Störungen der Funktion der Schilddrüse, Nebenniere oder des Menstruationszyklus führen. Bei hormonaktiven Tumoren kommt es zu einer übermäßigen Freisetzung eines oder mehrerer Hormone und in Folge dessen zu einer Reihe von klinischen Erscheinungen (z. B. Morbus Cushing, Akromegalie, Prolaktinom).
Das Krankheitsbild der Akromegalie ist eine Folge der vermehrten Produktion des Wachstumshormons (somatotropes Hormon =STH, engl.: Growth Hormon, GH). Die mit Abstand häufigste Ursache für die Akromegalie ist eine krankhafte STH-Überproduktion in der Hyp physe. In seltenen Fällen (< 5%) können andere Tumoren zu einem erhöhten STH-Blutspiegel führen, wie z. B. Tumoren der Lunge.
Bei Kindern sind die Wachstumsfugen noch nicht geschlossen und die erhöhte STH-Ausschüttung führt zu einem verstärkten Köperlängenwachstum. In der Mehrzahl der Fälle tritt die Erkrankung jedoch erst im Erwachsenenalter und somit deutlich nach dem Schluss der Wachstumsfugen auf, sodass kein Längenwachstum erfolgen kann. Die erhöhte STH-Produktion führt dann zu Veränderungen im Gesicht (Vergröberung von Nase, Kinn, Augenbrauenwülsten), Vergrößerung der Zunge, der Zahnabstände und des Ober- und Unterkiefers oder etwa der Hände und Füße. Dieses Wachstum an den Körperenden (griechisch Akren) hat zur Bezeichnung Akromegalie geführt. Neben diesen äußerlich sichtbaren Veränderungen kommt es aber auch zu Vergrößerung der inneren Organe, vermehrtem Schwitzen, erhöhtem Risiko für Diabetes und Bluthochdruck. Da auch vermehrt Darmpolypen entstehen können, sollte bei jedem Patienten eine Darmspiegelung durchgeführt werden.
Die Diagnostik umfasst neben der Anamnese, also der systematischen Erfragung des Gesundheitszustandes, und der klinischen Untersuchung eine umfangreiche Labordiagnostik hinsichtlich des Wachstumshormons und der Abklärung aller Hypopyhsenvorderlappenhormone. Auch Darmspiegelung, Ultraschall des Herzens und der Schilddrüse gehören zu den Standarduntersuchungen bei Patienten mit Akromegalie-Verdacht. Wichtig ist außerdem die Untersuchung des Sehvermögens vor und nach der Therapie.
Operation
Während bei anderen Tumoren, speziell dem Prolaktinom, die medikamentöse Behandlung die erste Wahl ist und die Operation nur in seltenen Fällen nötig wird, besteht unverändert Konsens, dass die operative Behandlung der Akromegalie Therapie der ersten Wahl für den Patienten ist. Bei fehlender Operationsfähigkeit, Ablehnung der Operation durch den Patienten oder fehlender Möglichkeit, ausreichend Tumorgewebe zu entfernen, kommen alternative Optionen als Erstbehandlungsmaßnahme in Betracht (2).
Der Weg durch die Nase und die Keilbeinhöhle (transnasal-transsphenoidaler Zugang) hat sich als Standardzugang etabliert, wobei zwischen einem endoskopischen und einem mikrochirurgischen Vorgehen unterschieden wird. Der Weg über eine Schädelöffnung ist sehr selten erforderlich.
Historisch wurden Tumoren der Hirnanhangsdrüse erstmals Ende des 19. Jahrhunderts über eine Schädeleröffnung (Kraniotomie) entfernt. Ein Wegbereiter war der Neurochirurg Victor Horsley. Die aus heutiger Kenntnis nicht vollkommene Technik und das mit dem heutigen nicht vergleichbare Instrumentarium haben allerdings nur zu unbefriedigenden Ergebnissen geführt. Die Tumorentfernung über eine Schädeleröffnung ist heute wenigen, besonders großen oder infiltrativ (in die Nachbarstrukturen eindringend) wachsenden Hypophysentumoren vorbehalten.
Zugangsweg der Wahl ist mittlerweile der Weg über die Nase, der erstmals von einem Hals-Nasen- Ohren-Chirurgen, Herrmann Schloffer, 1907 beschrieben und seither kontinuierlich weiterentwickelt wurde.
Die Entwicklung des OP-Mikroskops und der Einsatz durch Jules Hardy 1963 haben zu einer rasanten Entwicklung geführt. Spezielle für die mikrochirurgische OP-Technik geeignete Instrumente haben die Ergebnisse der operativen Behandlung wesentlich verbessert und so ist die mikrochirurgische transsphenoidale Technik seit Jahren Standard in der Behandlung von Hypophysentumoren, auch der Akromegalie.
Einhergehend mit der Entwicklung minimalinvasiver (endoskopischer) Techniken auf nahezu allen Gebieten der Chirurgie wurden auch für die Operation von Hirnanhangsdrüsentumoren endoskopische Techniken entwickelt. Darunter versteht man Operationstechniken ohne größere Schnitte mit nur geringfügiger Verletzung von Haut und Weichteilen. Erste Anwendungen erfolgten 1992 durch Roger Jankowski, einen französischen Hals-Nasen-Ohren-Chirurgen. Verbesserte Sicht auf das Operationsgebiet und immer weiter verfeinerte OP-Instrumente für die minimalinvasive Operationstechnik haben dazu geführt, dass die Operationsergebnisse vergleichbar dem mikrochirurgischen Vorgehen sind. Von einigen Autoren wird die Überlegenheit der Endoskopie, etwa bei der Radikalität der Tumorentfernung, beschrieben. Eine abschließende überzeugende Datenlage und der Beweis für die Überlegenheit der endoskopischen Technik liegen allerdings noch nicht vor und die Diskussion über mögliche Vorteile der minimalinvasiven endoskopischen Technik halten bis heute an.
Mehr als 95 % aller Hypophysenadenome werden transsphenoidal operiert (9). Chirurgisches Ziel ist zunächst die vollständige Tumorentfernung beim Vorliegen eines Mikroadenoms. Bei einer Normalisierung des Wachstumshormons STH und einer Normalisierung des Wachstumsfaktors IGF1 ist dann keine weitere Therapie erforderlich, wohl aber eine langjährige Kontrolle, da Rezidive möglich sind. Bei Tumoren, die nicht vollständig zu entfernen sind, etwa invasiv wachsenden Makroadenomen, ist das Ziel die maximal mögliche Entfernung hormonproduzierenden Tumorgewebes, soweit dies risikoarm möglich ist. Durch diese Tumormassenverringerung kann die Wirksamkeit sowohl der medikamentösen Therapie als auch der Strahlentherapie verbessert werden.
Unklarheit besteht hinsichtlich einer möglichen Vorbehandlung eines STH-produzierenden Tumors, hier fehlen ausreichend aussagefähige Studien. Daher ist die medikamentöse Vorbehandlung bisher wenig verbreitet (6).
Technische Aspekte wie Einsatz von Endoskopie, Neuronavigation, Hormonkontrollen und MRT innerhalb der Operation kommen zunehmend zur Anwendung. Allerdings ohne dass sie ihre Überlegenheit gegenüber der mikrochirurgischen Technik bewiesen hätten und damit zum Standard in der Behandlung von Hypophysengeschwulsten geworden wären (9).
Ammirati et al. (1) publizierten 2013 eine Metaanalyse (Analyse der Ergebnisse mehrerer Studien) von 38 Studien und verglichen die Ergebnisse mikrochirurgischer und endoskopischer Operationstechnik. 24 endoskopische und 22 mikrochirurgische Serien wurden verglichen, dabei fand sich ein höheres Risiko von Gefäßkomplikationen bei endoskopischer OP-Technik. Dagegen fand sich kein statistisch sicherer Unterschied bei allen anderen Parametern (Radikalität, Sterblichkeit, Liquorleck (Defekte in der Rückenmarkshaut), Diabetes insipidus, Hypophyseninsuffizienz, Hirnnervenschädigung, Hirnhautentzündung). Insbesondere gab es keinerlei Vorteil beim Vergleich hinsichtlich besserer Lebensqualität durch geringere Invasivität, das heißt geringfügigere Schnitte. Lokale Probleme nach der OP im Nasenraum, wie lang anhaltende Verkrustungen und Schleimhautbrücken (Synechien), traten
vermehrt in der endoskopischen Gruppe auf und wurden als Folge des häufigen Ein- und Ausführens des Endoskops interpretiert.
Eine weitere und aktuellere Metaanalyse von 31 Studien zur operativen Behandlung der Akromegalie aus dem Jahr 2016 vergleicht endoskopische und mikrochirurgische Technik. Dabei scheint die Radikalität bei nichtinvasiven Geschwulsten und endoskopischer Technik mit 83,8 % höher zu sein, als bei mikrochirurgischer Technik mit 66,9 %. Dafür sind die Raten für Nasennebenhöhlenentzündungen nach der Operation und Liquorlecks während der OP als Komplikationen bei endoskopischer Technik deutlich höher (8).
Kein Zweifel besteht darüber, dass die persönliche Erfahrung des Operateurs mehr als alles andere die Qualität der Ergebnisse bestimmt. So gilt ein Operateur als erfahren, wenn er mehr als 100 Operationen durchgeführt hat und mindestens 25 Operationen/Jahr durchführt (6,7).
Fernandez berichtete 2017 über eine persönliche Serie von 548 Patienten mit Akromegalie und mikrochirurgischer OP-Technik. Die Remissionsraten (Normalisierungsraten) hier sind mit 91,5 % bei Mikroadenomen und 82 % bei nichtinvasiven Makroadenomen, also nicht eindringenden großen Geschwulsten, sehr gut und vergleichbar den Ergebnissen endoskopischer Technik, wie sie in der Metaanalyse von Phan et. al. 2017 publiziert wurden (5; siehe Tab. 1).
Die Alternativen zur OP bestehen in der medikamentösen Behandlung, die in der Regel eine Dauerbehandlung bedeutet, sowie in der Strahlentherapie, deren Wirkung allerdings erst sehr verzögert, meist erst nach Jahren, auftritt. Die dauerhafte medikamentöse Behandlung mit der damit verbundenen Patientenbelastung sowie die Strahlentherapie mit ihrer verzögerten Wirkung sind daher erst sinnvoll, wenn die Operation nicht zur Sanierung der Akromegalie geführt hat.
Die medikamentöse Behandlung kann unter verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen. Vorrangige Therapie bleibt derzeit die operative Tumorentfernung, jedoch kann eine fehlende OP-Fähigkeit oder eine Ablehnung der Operation durch den Patienten eine medikamentöse Behandlung erfordern. Bei großen Geschwulsten kann über eine Vorbehandlung vor dem operativen Eingriff das Ergebnis der Entfernung möglicherweise verbessert werden. Bei schweren Begleiterkrankungen infolge der Akromegalie, die das OP-Risiko erhöhen, ist eine Vorbereitung der Operation mit medikamentöser Behandlung der Akromegalie möglicherweise sinnvoll. Da die Studienlage hierfür begrenzt ist, wird dies jedoch nicht allgemein empfohlen (6). Da die Akromegalie bei operativer Behandlung jedoch nicht in allen Fällen eine Heilung erreicht und in ca. 20 % aller Mikroadenome bzw. etwa 50 % aller Makroadenome auch nach OP eine krankhafte STH-Produktion festgestellt wird, muss in diesen Fällen mit Medikamenten weiterbehandelt werden.
Es stehen einerseits Medikamente mit vorrangigem Ansatzpunkt direkt an der Hypophyse zur Verfügung, wie Dopaminagonisten und Somatostatinanaloga. Diese Wirkstoffe hemmen die STH-Ausschüttung aus der Hypophyse und können auch die Tumorgröße günstig beeinflussen. Weiterhin kann ein Wachstumshormon-Rezeptorantagonist eingesetzt werden, der die Wirkung des STH am Rezeptor, also an einem Zielmolekül, verhindert. Hier wird keine Wirkung am Tumor selbst erreicht und keine Absenkung der STH-Spiegel im Blut, aber eine effiziente Verhinderung der Wirkung des STH und somit Normalisierung des IGF-1-Wertes.
Schlussfolgerungen
Die operative Tumorentfernung bzw. Tumormassenverringerung ist die Behandlung der ersten Wahl beim Vorliegen eines STH-produzierenden Hypophysentumors (Akromegalie). Die Tumorentfernung durch die Nase ist der bevorzugte Weg. Mikrochirurgische und endoskopische Operationstechniken stehen dabei gleichwertig zur Wahl. Eine Überlegenheit einer Methode ist bisher nicht belegt. Die endoskopische Technik scheint bei einigen Autoren Vorteile in der Remissionsrate zu zeigen, allerdings sind die Häufigkeit von Liquorfisteln oder Infektionen und besonders das Risiko von Gefäßverletzungen gegenüber der mikrochirurgischen Technik offenbar leicht erhöht. Entscheidend sind die persönliche Erfahrung des Operateurs und die Häufigkeit der Operation im behandelnden Zentrum.
Führt die OP nicht zum Rückgang oder ist eine OP nicht möglich bzw. nicht gewollt, stehen effiziente medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Wird damit keine Kontrolle der Erkrankung erreicht, steht die Strahlentherapie zur Verfügung (siehe auch S. 25). Deren Wirkung setzt allerdings verzögert ein und erfordert daher die parallele medikamentöse Therapie bis zum Abfall der krankhaft erhöhten STH- und IGF-1-Spiegel.
Dr. med. Christos Trantakis
Klinik für Kopf- und spinale Mikrochirurgie
Sana Kliniken Leipziger Land
Sana Kliniken Leipziger Land GmbH
Rudolf-Virchow-Str. 2
04552 Borna
Dr. med. Tobias Wiesner
MVZ Stoffwechselmedizin Leipzig
Prager Str. 34 (Ostplatzarkaden)
04317 Leipzig
Michael Hellmich
Sana Kliniken Leipziger Land
Sana Klinikum Borna Klinik für Innere Medizin
Rudolf-Virchow-Straße 2
04552 Borna
PD Dr. med. habil. Anke Tönjes
Universitätsklinikum Leipzig
Klinik für Endokrinologie, Nephrologie und Rheumatologie
Liebigstr. 20
04103 Leipzig